Auszug aus dem Buch „Zum Frühstück gibt´s Apps“ (eBook bei iBooks)
„Ein gutes und sehr witziges Buch über die digitale Welt“ – Ernst-Ulrich von Weizsäcker über „Zum Frühstück gibt´s Apps“.
Digitales Partner(un-)glück:
Kleine Häppchen, große Wirkung! In loser Folge veröffentlichen wir in meinem Blog Gedanken und Ideen aus dem Buch: „Zum Frühstück gibt’s Apps. Der tägliche Kampf mit der Digitalen Ambivalenz“. Es erscheint im Oktober bei „Springer Spektrum“. Zusammen mit dem Wirtschaftsjournalisten Ingo Leipner habe ich Eindrücke festgehalten, die wir auf einer spannenden Reise durch die Digitalität der Gegenwart und Zukunft gesammelt haben – mit kritischem Tiefgang, Humor und hoher Aktualität.
Hier ein Auszug aus dem Kapitel „Digitales Partner(un-)glück“:
„Heute hätte ich dir am liebsten Umberto vorgestellt“, platzt es aus Sandra heraus – kaum dass ihre Freundin Sabine auf dem Stuhl sitzt. Die beiden treffen sich in der Pizzeria Casa di Amore, um sich ein „Update“ aus ihrem Leben zu geben. Legendär dabei Sandras Erfahrungen mit Männern … Die Arzthelferin ist froh, nicht mehr auf Annoncen in Zeitungen antworten zu müssen. Voller Begeisterung hat sie sich in die neue Welt der Digitalität gestürzt. Ausgestattet mit Smartphone und Tablet, erobert sie das Internet – und ab und zu ein Männerherz.
„Er sah echt süß aus“, fährt Sandra fort, „schwarze Haare, glutvolle Augen und Dreitagebart.“ „War wohl nur die hübsche Verpackung“, antwortet Sabine, die schon ahnt, was kommt. „Na ja, am Telefon hat er nur über sich geredet, beim ersten Date hat er auch nur über sich …“ „Und beim zweiten Date?“, unterbricht sie Sabine. „Da wollte er nach zwei Stunden lediglich wissen, ob ich eine gute Lasagne mache!“, empört sich Sandra. „Und schon wolltest Du gar nichts mehr von ihm wissen“, stellt ihre Freundin fest. Wieder einmal war Sandra gescheitert – auf der Suche nach „Mr Right“ im Internet.
Dabei ist sie in bester Gesellschaft: 7 Mio. Singles suchen aktiv ihr Glück auf Online-Dating-Portalen – pro Monat! Über 80 Mio. Mitglieder konnten diese Portale in den letzten Jahren gewinnen, von ihnen fristen gewiss einige ein Dasein als Karteileiche. Es sei denn, auch Greise und Babys wären in Deutschland auf Partnersuche. Dieses lukrative Geschäft betreiben mehr als 2.000 Singlebörsen, Partnervermittlungen, Chat- oder Seitensprungportale. Sie heißen: Partnersuche, Parship, ElitePartner oder FriendScout24.
(…)
Digitale Ambivalenz:
Oft ist die Wortwahl verräterisch. Bei Parship ist von „Mechanismen des Partnermarktes“ die Rede. Menschen seien „abhängig von den persönlichen Präferenzen und Marktbedingungen“. Diese Bedingungen werden mit den Begriffen „Quantität und Qualität der Auswahl und der Konkurrenz“ beschrieben. Weiter unten findet sich die Formulierung einer „effizienteren Partnersuche“. Natürlich sind die Zitate aus dem Zusammenhang gerissen. Entscheidend ist die ökonomische Diktion, die sich in diesen Worten spiegelt.
Ganz klar: Online-Dating hat eine riesige Spielwiese eröffnet, auf der Männer und Frauen ihr Glück suchen. Matching-Punkte, Profile, Fotos, E-Mail-Kontakt – noch nie war es so einfach, eine Vielzahl von Menschen kennenzulernen. Und eventuell den großen Glückstreffer zu landen. Jeder kennt inzwischen solche Geschichten in seinem Freundeskreis.
Doch die Digitale Ambivalenz bleibt nicht aus, denn die Sprache von Parship wirft viele Fragen auf: Die Ökonomie erobert immer mehr Felder der Gesellschaft. Wirtschaftliches Kalkül schleicht sich überall ein, verbunden mit einer Ranking-Sucht, die alles einer ökonomischen Bewertung unterwirft. So lassen auch Singleportale Profile durch Kunden bewerten, auf einer Skala von 1 bis 10. „Am Ende war ich eine 3,1“, erzählte eine enttäuschte Teilnehmerin in einem Forum – und kündigte die Mitgliedschaft.
Stellt sich die Frage: Verbauen wir uns nicht den Weg zum Glück, indem wir auf „Glücksformeln“ bauen und uns darauf verlassen, dass uns mathematische Algorithmen „Mr/Mrs Right“ bescheren? Geprüft nach Präferenzen, gecheckt durch Fragebögen, ausgesucht nach Matching-Punkten? Und dann die vielen Enttäuschungen … Denn nach dem Date ist vor dem Date, nur so wird die Partnersuche noch „effizienter“. Ein industrieller Prozess, der sich immer weiter optimieren lässt.
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Die Antiübung zum Thema 🙂 Wie du mit Sicherheit Grottenolm bleibst:
Du willst die definitive Bestätigung: Am glücklichsten wirst du alleine auf dem Sofa! Dann registriere dich auf www.SofaPartner.de und stelle ein attraktives Profil ins Netz: Mache mehr aus deinem Typ, indem du Pathologe als Beruf angibst. Schummle beim Gewicht und sattle ein paar Kilo drauf, gemäß der RTL2-Show Dick lebt es sich leichter. Hobbys? Bloß nichts Trendiges wie Kitesurfen oder Steilwandklettern. Nenne Lesen, Briefmarken und Zierfische als Beschäftigung in der Freizeit.
Das alles hat nicht verhindert, dass sich jemand mit dir treffen will? Kein Problem, im Nahkampf wird sich dein Lebensentwurf voll bestätigen: Die Wahrscheinlichkeit einer Niete liegt bei 95 %, beim Rest hilft diese Strategie: Schaue deinem Gegenüber keinesfalls in die Augen! Texte ihn zwei Stunden mit Belanglosigkeiten aus deinem Leben voll – und vergiss nicht, Details von Leichenöffnungen einzustreuen, die du bei SOKO 5113 gesehen hast. Sollte dein Date wider Erwarten zu Wort kommen, schaue aus dem Fenster und stelle bloß keine Frage, sonst könnte sich dein Gegenüber ernst genommen fühlen. Kaum zu Hause, tippst du auf deinem Tablet eine vernichtende Bewertung deiner neuen Bekanntschaft. So einfach bleibst du ein Grottenolm, glücklich und zufrieden – alleine auf deinem Sofa!
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