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Medienkompetenz: Die Copy-und-Paste-Nation (ICILS)

Deutsche Schülerinnen und Schüler scheinen allen Inhalten im Internet blind zu vertrauen. „Copy and paste“ heißt bei ihnen das Motto. Das lässt zumindest die Antwort von drei Vier­teln der Lehrer vermuten, die in der internationalen Icils-Studie ebenfalls befragt wurden. Die Studie wurde am 20. November 2014 in Berlin und Brüssel veröffentlicht. Bei „copy und paste“ waren die deutschen Schüler übrigens vorne – im Gesamtvergleich dagegen nur Mittelmaß.

 

Die Icils-Studie zeigt: Die sogenannten Digital Natives, also die Generation, die mit Handy, Smartphone und Internet groß geworden sind, brauchen dringend Nachhilfe. Die mäßige Entwicklung von IT-Kompetenzen bei Achtklässlern sind neben einer dürftigen internettechnischen Ausstattung von Schulen die zwei Kernergebnisse aus bundesdeutscher Sicht.

 

So heißt es in der Studie: „Fast die Hälfte, und damit der größte Anteil der Jugendli­chen in Deutschland, (…) sind damit u.a. in der Lage, unter Anleitung Dokumente zu bearbeiten und einfache Informationsprodukte zu erstellen.“

 

Das hat wenig mit Medienkompetenz zu tun, sondern ist eine originäre Fähigkeit, die ohne Computer zu erlernen ist. Statt sich mit den unzähligen Funktionen einer  Textver­arbeitung zu beschäftigen, sollten Kindern lernen, ihre Gedanken fehlerfrei auf Papier schreiben zu können. Studien aus der empirischen Bildungsforschung (John Hattie 2008) belegen, dass diese Fähigkeit durch digitale Medien nicht verbessert wird. Schüler müssen analoge Dokumente und Informationsprodukte herstellen können, die in einem zweiten Schritt digitalisiert werden können.

 

Ein weiteres Studienergebnis: „Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland besu­chen Schulen, in denen das Schüler-Computer-Verhältnis bei 11.5 zu 1 und so­mit im Bereich des Mittelwerts der an ICILS 2013 teilnehmenden Staaten der EU (11.6:1) liegt, allerdings deutlich höher ausfällt als in ausgewählten anderen Ländern.“   

 

Die Anzahl der Schul-Computer liefert keine valide Aussage über die Qualität von Lehr-/Lernprozessen. Der Umgang zum Beispiel mit Potenzen mit ganzzahligen Exponenten – wie es im Mathematikunterricht in der achten Klasse bundesweit gelernt wird – kann ein Computer schneller berechnen; aber den Weg dahin lehrt ein Computer nicht. Das Lernen erfolgt durch Verstehen, Nachvollziehen, Anwenden/Ausprobieren, Korrigieren. Nur so entsteht ein dauerhafter Lernerfolg. Computer können dem Schüler diesen Lernpro­zess nicht abnehmen.

 

„Etwa drei Viertel der Lehrkräfte in Deutschland (75.8%) haben dagegen Bedenken, dass Schülerinnen und Schüler unreflektiert Inhalte aus dem Internet kopieren.“ 

 

Die Bedenken sind in der pädagogischen Praxis berechtigt. Denn sie zeigt, dass fremdes geistiges Eigentum immer mehr als eigenes ausgegeben wird. Nach dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat sich die Zahl der urheberrechtlich Belangten im Alter von 10-19 in den vergangenen drei Jahren mehr als verdoppelt. Die Ursache liegt nicht in einer fehlenden Medienkompetenz, sondern in der Bequemlichkeit, der eingeschätz­ten Unwichtigkeit und der fehlenden Würdigung geistiger Arbeit. Diese Sekundärkom­petenzen gilt es zu vermitteln und zu trainieren. Erst dann dürfen Computer diese Arbeit erleichtern.

 

Falsche Schlussfolgerungen befürchtet

Ich befürchte, dass die Verantwortlichen die falschen Schlüsse aus den Studienergeb­nissen ziehen. Die Entwicklung sogenannter „IT-Kompetenzen“ bei Kindern erzeugen aus neurobiologischer und pädagogischer Sicht Nachteile für das spätere Leben. Und eine Mehrausstattung mit Computern und Online-Netzwerken in Schulen wird der ori­ginären Aufgabe der Schulen eben nicht gerecht.

 

Anders ausgedrückt: Der bessere Umgang mit digitalen Medien, das Heranführen von Technologien an Kinder verbessert weder das Lernen noch die Lernergebnisse. Demge­genüber sind die Risiken gehirnlicher Fehlentwicklungen bei unreflektierter Nutzung von IT-Geräten in der Schule heute bereits wissenschaftlich belegt. Die einzige Schluss­folgerung aus diesen Erkenntnissen kann nur sein: Halten wir die Schulen von Informationstechnologien möglichst frei und setzen wir diese Medien erst ab einem Alter von 16 Jahren pädagogisch sinnvoll als eines von vielen komplementären Lernwerkzeugen ein. Bei einer gegenteiligen Entwicklung – also einem massiven Com­puter-Einsatz in der Schule – befürchte ich, dass „die Technologien nicht komple­mentär, sondern als Ersatz für Präsenzunterricht und als Ersatz des pädagogisch wert­vollen Lehrereinsatzes genutzt werden.

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