Arbeit 4.0
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Arbeit 4.0 – Leidensdruck statt neue Arbeitsplätze

Arbeit 4.0! Welche Folgen bringt die Digitalisierung für Arbeitsplätze mit sich? Vernichtet die Digitalisierung gar Arbeitsplätze? Welche Maßnahmen sollten Mitarbeiter heute ergreifen? Ist Digitalisierung die Arbeitsform der Zukunft für ein selbstbestimmteres Arbeiten?

 

Fragen über Fragen von Menschen, die der Digitalisierung aus Hoffnung und Angst vor dem Jobverlust gegenüberstehen. Eins ist sicher: Digitalisierung bedeutet nur für einige wenige Berufsgruppen Freiheiten und neue Möglichkeiten des autonomen Arbeitens. 

 

Das Internet verleitet immer mehr Menschen dazu vom heimischen Computer aus zu versuchen ihr Geld zu verdienen. Sie werden gelockt von flexiblen Arbeitszeiten und der Empfindung enormer Freiheiten, die das selbstbestimmte Arbeiten eröffnet. Die Digitalisierung ermöglicht es wiederum den Unternehmen ganze Projekte zunehmend in kleinere Arbeitsschritte zu zerlegen: bspw. Adressen recherchieren, Preise im Supermarkt abfotografieren, Produkte in kurzen Texten beschreiben, Logos entwerfen oder Software programmieren. Diese überschaubaren Projekttätigkeiten, die als Ganzes normalerweise ein festangestelltes Projektteam abschließt, werden dann über sogenannte Crowd Working Plattformen einer großen Menge Menschen auf der ganzen Welt angeboten – sogenannte Crowdworker oder Digitale Nomaden, die von überall aus nur mit ihrem Laptop arbeiten können.

 

Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus? Besteht diese aus einem Heer digitaler Tagelöhner, die sich von einem Auftrag zum nächsten hangelt, ohne soziale Sicherung, Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall?

 

Laut der Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2015 ist die Klage über den angeblichen Rückgang des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses falsch. Demnach ist seit 2006 die Zahl der Normalarbeitnehmer um über 2,3 Mio. gestiegen, die flexiblen Beschäftigungsverhältnisse – wozu auch die Crowdworker gehören – sind hingegen um 68.000 zurückgegangen. In Deutschland scheint die Bereitschaft, sich auf derart flexible Arbeitsverhältnisse einzulassen, noch gering ausgeprägt zu sein.

 

Eine Oxford-Studie aus dem Jahr 2013 zeigt jedoch eine andere Zukunftsprognose. Demnach sind auf dem US-Arbeitsmarkt fast die Hälfte der Arbeitsplätze in 700 Berufsgruppen in den kommenden 20 Jahren durch die Digitalisierung und die Konkurrenz von Roboter und Computer bedroht. Für Deutschland kommt die Studie der London School of Economics aus dem Jahr 2014 zu vergleichbaren Ergebnissen. Nicht alle Ergebnisse aus dem US-Arbeitsmarkt lassen sich auf Deutschland übertragen. Es steht aber fest, dass besonders die Jobs, in denen soziale und kreative Kompetenzen wichtig sind, nur schwer durch Computer oder Roboter ersetzen lassen. Es sind eher die Routine- und Standardtätigkeiten, die betroffen sind. Solide Abschätzungen, ob der technologische Wandel Arbeitsplätze abschafft, gibt es kaum.

 

In der Studie von Frey und Osborne (2013) untersuchten die Autoren anhand von Experteneinschätzungen und beruflichen Tätigkeitsstrukturen die Automatisierbarkeit von Berufen in den USA. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat diese Studie aufgegriffen und im Jahr 2015 einen Expertisenbericht Arbeiten 4.0: Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland erstellt. Dieser Bericht überträgt die Automatisierungswahrscheinlichkeit der Berufe in den USA auf die entsprechenden Berufe in Deutschland. Demnach arbeiten derzeit 42 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in Berufen mit einer hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit. Das ZEW kommt zu dem Schluss, dass Automatisierung nicht mit möglichen Beschäftigungseffekten gleichgesetzt werden kann, da Maschinen Arbeitsplätze verändern können, ohne sie zu ersetzen.

 

Die Prognose lautet, dass Beschäftigte die gewonnenen Freiräume nutzen können, um andere, schwer automatisierbare Aufgaben auszuüben. Und selbst, wenn Arbeitsplätze wegfallen, entstünden durch die Digitalisierung neue Arbeitsplätze, wie zum Beispiel in der Herstellung der neuen Technologien. Die Digitalisierung hat nicht Arbeitsplatzverlust, sondern eher neue Aufgabenspektren zur Folge: Die Arbeitsplätze werden anspruchsvoller, in Zukunft sind mehr komplexe nicht-automatisierbare Aufgaben gefordert. Die Qualifikationsanforderungen steigen also an. Die Automatisierungswahrscheinlichkeit gibt Hinweise darauf, welche Berufsgruppen künftig auf eine stärkere Unterstützung angewiesen sein könnten, um sich im Wandel anzupassen und ihre Beschäftigungsfähigkeit durch Qualifizierung zu erhalten.

 

Bei der Fragestellung, was die Digitalisierung bewirkt, darf also nicht nur Crowdworking betrachtet werden. Das ist eine Erscheinung für sich. Vielmehr verändern sich komplette Berufsbilder durch neue Arbeitsplätze und Anforderungen. Lebenslanges Lernen steht dann mehr im Fokus denn je. Akademiker sind da im Vorteil. Es sind die Geringverdiener, die davon eher negativ betroffen sein werden. Hier braucht es Konzepte, um diese Gruppe zu unterstützen, den Wandel zu meistern.

 

Management Summary

 

Die Zusammenhänge zwischen Automatisierung, Veränderung von Berufsbildern, Arbeitsplatzverlusten und Arbeitsplatzentstehung werden bisher nur unvollständig verstanden. Dass die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichtet, ist eine einseitige Interpretation. Vielmehr gilt es Maßnahmen zur besseren Qualifizierung der Menschen zur Übernahme komplexer Tätigkeiten zu ergreifen. Um die Folgen abschätzen zu können, müssen die Zusammenhänge zwischen Digitalisierung, Veränderung von Berufsbildern, Arbeitsplatzverlusten und Arbeitsplatzentstehung besser verstanden werden.

 

Eines bleibt sicher: Digitalisierung bringt nur für einige wenige Berufsgruppen Freiheiten und neue Möglichkeiten des autonomen Arbeitens. Bei den meisten Beschäftigten entsteht eher Leidensdruck durch Komplexität, Druck lebenlangen Lernens und höherer Qualifikationen.

 

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